Energiepolitik der Bundesregierung – Zwischenzeugnis: Versetzung gefährdet

Natürlich, die Ampel-Regierung ist mit einer großen Hypothek aus 16 Jahren Merkel angetreten. Mittlerweile hat man aber viele Möglichkeiten genutzt, eigene Fehler zu machen oder Dinge schlicht zu unterlassen.

Ein Kommentar des Themenbeauftragten für Energiepolitik, Guido Körber.

Energie-Jetset

Wirtschaftsminister Habecks Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten hat wenig überraschend keine Schwemme an billigem Flüssiggas gebracht. Kein Förderland hält sich große Mengen Kapazitäten auf Verdacht vor, um sofort liefern zu können, wenn Deutschland plötzlich Gas braucht.
Schön für Kanzler und Vizekanzler, dass sie Spaßreisen machen, deren Ergebnisse gut vorhersehbar waren. Stattdessen wäre die Zeit besser investiert gewesen, hier zuhause mal die Hausaufgaben zu erledigen.

Wasserstoffträume

Auch Kanada hält solche Kapazitäten nicht vor und hat natürlich erst recht keinen grünen Wasserstoff auf Verdacht zur Verfügung. Ganz abgesehen davon, dass es energetisch völlig sinnlos ist, Wasserstoff über den Atlantik zu transportieren, da der Transport so aufwändig ist, dass alle Vorteile der noch billigeren Erneuerbaren Energie (EE) an einigen entfernten Standorten durch die Verflüssigung des Wasserstoffs und die Fahrt des Tankers aufgebraucht werden. Darum möchte man Ammoniak erzeugen, davon passt mehr in den Tanker, aber es geht noch einmal mehr Energie verloren und Ammoniak ist giftig.

Und ob man Wasserstoff aus Kanada als grün bezeichnen darf, ist auch noch eine offene Frage. Ein erheblicher Teil der Energie in Kanada stammt aus fossilen Quellen und mit dem Ölsand setzt Kanada eine der dreckigsten Energiequellen überhaupt ein. Solange eine Region nicht bereits 100% EE einsetzt, ist ein \“grüner\“ Import aus dieser Region ohnehin Greenwashing.

Wenigstens hat man etliche Vertreter von Konzernen, die gut an den fossilen Energien verdienen, mit auf den schönen Ausflug genommen. Da geht es offensichtlich darum, ein Anschlussgeschäft zu sichern.
Gleichzeitig müssen sich die deutschen Bürger eine Zumutung nach der anderen gefallen lassen.

Rohrkrepierer aus der Schnellschusskanone

Das erfolgreiche 9€-Ticket, das vielen Menschen erschwingliche Mobilität ermöglicht hat, wird nicht fortgesetzt. Angeblich ist kein Geld dafür da. Ganze 2,5 Mrd.€ hatten die drei Monate gekostet, die deutlich gezeigt haben, dass auch ein ticketloser ÖPNV Sinn machen würde.

Über 3 Mrd.€ dagegen kostete der Tankrabatt, der genau den Effekt hatte, der vorher befürchtet wurde: Die Preise für Benzin und Diesel gingen vor dem Rabatt hoch, und sanken dann durch den Tankrabatt ungefähr wieder auf das vorhergehende Niveau. Der größte Teil des Tankrabatts landete also in der Kasse der Ölmultis. Tolle Fehlleistung mit Ansage!

Hilflos in der Krise

Strom und Gas werden immer teurer, aber effektive Maßnahmen dagegen werden nicht ergriffen.
Ein maßgeblicher Teil des Preisanstiegs hat mit den Regeln für den Energiemarkt zu tun. So bestimmt an der Strombörse das teuerste Kraftwerk den Preis für den Strom. Dank des hohen Strombedarfs durch Frankreich, das mit vielen ausgefallenen Atomkraftwerken zu kämpfen hat, laufen seit dem letzten Herbst deutlich mehr Gaskraftwerke. Diese treiben den Gasverbrauch nach oben – und natürlich die Preise.

Versteht die Ampel den Strommarkt überhaupt?

Immerhin hat Minister Habeck am 26. August 2022 das Thema Strommarkt plötzlich entdeckt und will nun eine Reform machen. Hoffen wir mal, dass er wirklich versteht, wie der Markt momentan funktioniert und wie man ihn reformieren kann. Das komplexe Regelwerk durchblicken nur wenige und es ist darauf ausgelegt, gute Gewinne für die konventionellen Stromerzeuger zu sichern.

Endlich Ursachen angehen!

Schön wäre es, wenn wir mehr EE im Netz hätten, aber die kann man ja nicht so schnell neu bauen. Oder? Tatsächlich könnten wir mit ein paar einfachen Entscheidungen ganz schnell mehr davon im Netz haben, denn es gibt vieles, was bereits da ist, aber nicht oder nur teilweise arbeiten darf:

Da ist erstmal die Abregelung von Erneuerbaren. Die passiert immer dann, wenn mehr Strom im Netz ist, als gebraucht wird, oder abgeleitet werden kann. Geregelt wird das durch die Redispatch-Verordnung und die gibt vor, dass als Erstes abgeregelt wird, was am wenigsten Entschädigung kostet. Da Erneuerbare über die Einspeisevergütung entschädigt werden, zählt das als kostenlos. Die fossilen Kraftwerke laufen also weiter, während der nachhaltige Strom nicht eingespeist wird. Das treibt den Strompreis sinnlos nach oben.

Weiter geht es mit einer immer noch bestehenden Regelung der schwarz/gelben Regierung. Die hatte massiven Schaden am Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) angerichtet. Einer davon ist die Deckelung der Einspeisung auf 70% der Maximalleistung. Angeblich zur Sicherung der Netze dürfen PV-Anlagen bis 25 kW nur dann betrieben werden, wenn sie eine Vorrichtung haben, die verhindert, dass die Anlage mehr als 70% der maximalen Leistung einspeisen kann.

Also werden mindestens im Sommer die Erzeugungsspitzen gekappt, das meiste um die Mittagszeit, wo auch eine Bedarfsspitze ist. So sichert man einen Teil des Marktes für die Spitzenlastkraftwerke, die dann erneut die Preise hochtreiben.

Arbeitsverweigerung

Mit der Neufassung des EEG wird das jetzt abgeschafft. Ab dem 1.1.2023, aber nur für Neuanlagen. Bestandsanlagen müssen weiter begrenzen. Warum wird diese Regelung nicht mit sofortiger Wirkung abgeschafft? Dauerhaft! Für alle Anlagen. Das würde sofort zusätzlichen Strom ergeben, ganz ohne Gas und ohne den Strompreis hochzutreiben.

Gleichzeitig stehen über 1000 Photovoltaikanlagen fertig gebaut herum und dürfen nicht angeschlossen werden, weil Behörden Genehmigungen nicht erteilen (teilweise seit über einem Jahr). Oder eine Abschaltvorrichtung fehlt, die erst seit zwei Jahren vorgeschrieben ist, technisch nicht benötigt wird und aufgrund der Lieferkettenprobleme kaum lieferbar ist. Probleme, die sich mit ein paar Anweisungen oder Verordnungen aus der Welt schaffen ließen.

Bürgern in die Tasche greifen geht schnell

Andererseits gehen Verordnungen ganz schnell, wenn eine Gasumlage zu beschließen ist.
Diese wurde uns zunächst verkauft als dringend notwendig, um Insolvenzen und damit Versorgungsausfälle beim Gas zu vermeiden. Doch bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass das europarechtlich gar nicht geht, denn Firmen in finanziellen Schwierigkeiten dürfen nicht einfach so bezuschusst werden. Und offensichtlich war das auch nie so vorgesehen. Vielmehr geht es darum, die Gewinne der Gaslieferanten zu sichern. Dies dann auch in einer Pressekonferenz zugegeben.

Immerhin hat man auch hier so langsam gemerkt, dass das vielleicht nicht die beste Idee war. Und man redet jetzt davon, noch einmal zu prüfen, wer denn wirklich berechtigt sein soll, von der Gasumlage zu profitieren. Oder ob man das Ganze nicht völlig anders macht oder gleich ganz sein lässt.

Die EEG-Umlage ist wo?

Eine Sache ist der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit noch nahezu komplett entgangen: Die EEG-Umlage wurde zum 1.7.2022 abgeschafft, was zu sinkenden Strompreisen für viele Stromkunden führte. Nicht aufgefallen ist dabei, dass die EEG-Umlage ohnehin auf null gefallen wäre, oder eigentlich sogar negativ hätte werden müssen.

Mit der EEG-Umlage wurde bisher die Differenz zwischen den an die EE-Anlagenbetreiber gezahlten Einspeisevergütungen und dem an der Börse für den Strom erzielten Preis finanziert. Dafür gibt es bei den Netzbetreibern ein Konto, auf dem ein gewisser Puffer vorgehalten wird. Obwohl seit dem 1.7.2022 keine EEG-Umlage mehr von den Endkunden kassiert wird, wuchs der Kontostand im Juli um etwa 800 Millionen auf fast 17 Milliarden an [1].

Das kommt daher, dass der Strom höhere Preise an der Börse erzielt und die ältesten Anlagen mit den höchsten Einspeisevergütungen langsam aus der Förderung fallen. Also unsere gemeinschaftliche Investition in den Aufbau der nachhaltigen Stromversorgung seit dem Jahr 2000 beginnt, sich auszuzahlen. Es wäre dann an der Zeit, diese Dividende zur Senkung der Energiekosten zu nutzen.

Action bitte!

Bisher wurde es versäumt, die naheliegenden und kurzfristig wirkenden Maßnahmen zu treffen. Die längerfristigen Maßnahmen sind teilweise sehr halbherzig, (zu) viele treten erst zum 1.1.2023 in Kraft. Stattdessen wurde viel Zeit mit Dingen verplempert, die absehbar nicht helfen werden. Wie die Träume vom Gas aus Dubai, das erst in ein paar Jahren kommen würde und mit einem Vertrag über 30 Jahre bestellt werden müsste – was eine Abnahmeverpflichtung für fossilen Brennstoff bedeutete, über einen Zeitraum, der mit keinen Klimazielen vereinbar ist.

Als besonderen Service aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bekommen wir dann noch tolle Tipps und Vorschriften zum Energiesparen. Nach dem Prinzip \“Nicht auf den Boden spucken!\“ gibt es Vorgaben wie Leuchtreklame nachts abzuschalten, kürzer oder gar nicht zu Duschen und die Türe nicht offen stehen zu lassen, während geheizt wird. Ob das wohl Verständnis oder Trotzreaktionen auslösen wird?

Fazit: zu wenig, zu langsam, zu spät

Insgesamt kann man als Zwischenbeurteilung nur sagen: Bemühte sich redlich. Es könnte dann langsam mal losgehen mit den sofort wirkenden Maßnahmen, Liste siehe oben.

[1] https://www.netztransparenz.de/portals/1/Aktuelle_Daten_zu_den_Einnahmen-_und_Ausgabenpositionen_nach_EEAV_Juli_2022.pdf