Hessendata – chinesische Methoden halten Einzug auch in Hessen

„Britische Polizei erhält Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation“ (Artikel von heise)

„Chinesin musste nach einer Schönheitsoperation neue Authentifizierungen bei zahlreichen Diensten beantragen!“ (Artikel von heise)

„Kameras werden die neuen Lehrer in China. Sie studieren die Gesichtsausdrücke der Schüler während des Unterrichts ganz genau“ (Tagesspiegel)

Über Nachrichten wie diese gruseln wir uns immer häufiger. Aber viele Leute lehnen sich auch beruhigt zurück, in der Überzeugung, dass so etwas undenkbar bei uns wäre, denn wir leben ja in einem freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat.

Wenn sie sich nur nicht täuschen! In allen Bundesländern werden Polizeigesetze verschärft, die immer mehr Überwachungsmaßnahmen legitimieren und ausweiten. Immer mehr Videokameras beobachten uns auf öffentlichen Plätzen. Gesichtserkennung findet als öffentliches Experiment statt. Die neuen Gesetze senken die Schwellen für Abhörmaßnahmen und Staatstrojaner: so soll in Hessen der Hessentrojaner zum Einsatz kommen (Blogbeitrag Hessentrojaner). Trotz gerichtlicher Verbote unternehmen sicherheits-populistische Innenpolitiker immer neue Anläufe, eine Vorratsdatenspeicherung durchzusetzen. Die CDU will das Prinzip der Datensparsamkeit abschaffen (heise). Vorstöße gibt es auch zum Verbot von Tor und VPN (Chip). Die Datenstaubsauger der Behörden häufen wachsende Datenhalden an. Darin enthalten sind Informationen über viele unserer Bewegungen, unsere Kommunikation, unsere Einkäufe, unsere wirtschaftlichen Verhältnisse, unsere Beziehungen, Kontakte, Kontakte der Kontakte und wahrscheinlich noch viel mehr.

Und nun will die Polizei diese Daten auch sortieren und verknüpfen, also Daten aus unterschiedlichsten Sammlungen zusammenführen und analysieren, einschließlich sozialer Medien.

Dabei sieht die DSGVO vor, dass Daten, die für einen bestimmten Zwecke erhoben wurden, nicht einfach für einen anderen Zweck verwendet werden dürfen. Sie dürfen auch nicht über den Zeitraum hinaus gespeichert werden, für den sie benötigt werden. Die Zweckbindung der Datennutzung der Polizei waren bisher bestimmte Ermittlungs- und Gerichtsverfahren. Anlasslose Dauerspeicherung war nicht vorgesehen.

Für ihre Analysen will die Polizei eine Software namens „Gotham“ nutzen, hergestellt von der Firma Palantir aus Palo Alto im Silicon Valley. Die für die hessische Polizei angepasste Version heißt „Hessendata“. Gotham wurde ebenfalls von Geheimdiensten genutzt und vom US-Militär während des Irakkriegs. Palantir-Mitarbeiter sollen auch bei Cambridge Analytica mitgearbeitet haben, der dubiosen Firma, die während des US-Wahlkampfes Daten genutzt hatte, die illegal bei Facebook abgegriffen worden sind.

Die Landesregierung rechtfertigt die Anschaffung dieser Software mit Terrorismusgefahr, und die Hessische Polizei fordert schon die Ausweitung der Einsatzszenarien.

Die Server, auf denen Hessendata läuft, stehen in der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD), die für die IT aller Hessischen Behörden zuständig ist. Die Software wird von Palantir aus der Ferne gewartet. Leider hat die HZD keinen Einblick in die Wartungsverfahren und die Funktionsmechanismen. Es ist also völlig unklar, ob und welche Daten in die USA abwandern. Unklar ist auch, wie lange Daten Unverdächtiger gespeichert werden. Auf diese Weise können also Daten von europäischen Bürgern bei der NSA und anderen amerikanischen Organisation und Firmen landen, ohne dass unsere Behörden eine Chance haben, davon auch nur zu erfahren. Die Verwendung der Software dieser Firma steht damit im Widerspruch zum geltenden Datenschutzrecht und zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Letztere ist ein Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit des Grundgesetzes.

Wir PIRATEN lehnen das anlasslose Sammeln und Speichern von Daten sowie ihre Verknüpfung ab. Die Landesregierung missachtet das Risiko, dass unsere Daten in falsche Hände geraten könnten. Die CDU schweigt sich aus – genauso wie die Grünen. Auf den Webseiten der CDU- und Grünen-Landtagsfraktion sucht man vergeblich nach den Stichworten Hessendata oder Palantir.

Siehe auch:
https://ddrm.de/software-aus-usa-fuer-die-hessische-polizei-palantir-und-hessendata-nicht-nur-ein-vergaberechtlicher-skandal/
https://netzpolitik.org/2019/big-data-bei-der-polizei-hessen-sucht-mit-palantir-software-nach-gefaehrdern/#spendenleiste
https://www.golem.de/news/palantir-in-deutschland-wo-die-polizei-alles-sieht-1810-137211.html
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/innere-sicherheit-gotham-am-main-1.4175521

Beitragsbild: Annette Schaper-Herget unter Verwendung eines Fotos von Keith Johnston
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