Entwurf des hessischen Informationsfreiheitsgesetzes – eine Kritik

Das Auslaufen der Übergangsfrist der EU-Verordnung 2016/679, besser bekannt als DSGVO, und der EU-Richtline 2016/680, JI-Richtlinie, zwingen auch den hessischen Gesetzgeber zum Handeln. An sich eine hervorragende Gelegenheit das in die Jahre gekommene Hessische Datenschutzgesetz (HDSG) ins 21. Jahrhundert zu bringen und Hessen wieder zum Vorreiter in Richtung Datenschutz zu machen – man beachte den Konjunktiv.

Das, was die Regierungsfraktionen aus CDU und Grüne statt dessen mit dem Entwurf zum Hessischen Gesetz zum Datenschutz und zur Informationsfreiheit (HDSIG-E) vorgelegt haben, wird diesem Anspruch nicht einmal ansatzweise gerecht. Zwar rühmt man sich, ein Informationsfreiheitsgesetz geschaffen zu haben, doch seien wir ehrlich: Nicht umsonst heißt der 4. Teil lediglich \“Anspruch auf Informationszugang und tatsächlich ist bereits ein solcher Ansatz schon heute veraltet. Modern wäre ein echtes Transparenzgesetz gewesen. Übersetzt in den beliebten Autovergleich, wird einem hier ein EURO-4 Diesel als EURO-5 und \“State-of-the-Art\“ verkauft, wo betrugsfreier EURO-6 doch angebracht gewesen wäre.

Bemerkenswert am schwarz-grünen Entwurf ist, dass die wesentlichen Akteure ausgenommen worden sind. Weder ist es für den Verfassungsschutz, die Polizei noch die Kommunen gültig. Letztere können sich zwar eine eigene, dem entsprechende Satzung geben, tragen dann aber auch eventuell entstehende Kosten. Andernfalls hätte das Konnexitätsprinzip gegriffen und das Land hätte für eventuelle Mehrkosten aufkommen müssen – \“Wer bestellt, bezahlt\“. Dies ist wohl der wahre Grund, für die gewählte Formulierung und nicht etwa die Sorge, in die kommunale Selbstbestimmung einzugreifen oder gar Kommunen eine Aufgabe zuzumuten, die sie nicht bewältigen könnten. Wie gering die Wahrscheinlichkeit für Letzteres ist, hat der Verein \“Mehr Demokratie e.V.\“ in seiner Stellungnahme (S. 148) sehr schön dargestellt.

Den Kommunen kann dies jedoch nur Recht sein, können sie so doch mit Hinweis auf die angespannte Haushaltslage entspannt die Einführung einer entsprechenden Satzung zumindest vor sich her schieben. Aufschlussreich für den Widerstand der Kommunen, sich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern mehr Transparenz zu verordnen, sind die Stellungnahmen des Hessischen Städte- und Gemeindebund (Seite 56) und des Hessischen Landkreistag (Seite 62).

Noch eine weitere Gruppe ist jedoch ausgenommen worden und dies hat zu allerlei Unruhe und einer erheblichen Anzahl von unaufgefordert eingesandten Stellungnahmen geführt. Die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer, sowie Notare dürfen sich ebenfalls als befreit ansehen von den \“Irrungen\“ des Informationszugangs, was selbstverständlich weitere Kammern und Versorgungswerke auf den Plan rief. Wäre #MeToo nicht bereits auf eine Art besetzt, die jede Parallele im Ansatz verbietet, es wäre ein treffender Ausdruck gewesen. Es steht zu befürchten, dass die Regierungskoalitionen hier ein Einsehen haben werden und weitere Ausnahmen oder gar eine Generalklausel hinzufügen werden, denn selbstverständlich wollen auch die evangelische und katholische Kirche nicht vom Informationszugang betroffen sein.

Können wir denn nun wenigstens darauf hoffen, dass die Presse die neue Errungenschaft nutzen kann, um zumindest der Landesregierung und ihren Ämtern auf die Finger zu sehen? Hörte man sich die mündliche Stellungnahme von Prof. Dr. Christian Fiedler an, der gleich für mehrere Verbände – unter anderem dem Verband Hessischer Zeitungsverleger sprach – möchte man fast davon ausgehen. Er lobte das Gesetz in höchsten Tönen und riet auch der Opposition im Landtag seine Annahme. Allerdings bezog sich der gute Mann ausschließlich auf einen einzigen Artikel, der auch nur einen einzigen Paragraphen im Hessischen Pressegesetz ändert, im über 200 Seiten starken \“Gesamtkunstwerk\“.

Wesentlich deutlicher wurden hier Transparency International und dieDatenschützer Rhein-Main. Da im Falle eines so wörtlich \“rein wirtschaftlichen Interesses\“ kein Anspruch auf Auskunft besteht, können Journalistinnen und Journalisten nahezu nach Belieben ausgenommen werden!

Wer jetzt glaubt, dass dies an Ausnahmen bereits reichen würde, dem empfehle ich die Lektüre der Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit. In nahezu allen der neun Paragraphen wimmelt es von weiteren Ausnahmen und Einschränkungen. So geht man einen medienwirksamen Schritt nach vorn und zwei verschämte Schritte wieder zurück im Einheitstakt der schwarz-grünen Marschmusik.

Im Wahlprogramm der Piratenpartei Hessen zur Landtagswahl steht unmissverständlich, was unsere Erwartungen gewesen wären und wofür wir eintreten: Eine transparente Verwaltung und Politik ist nur nach dem Öffentlichkeitsprinzip und einem modernen Transparenzgesetz möglich.

Dieser Text kann nur einen groben Überblick gewähren, warum der Gesetzesentwurf in dieser Form abzulehnen ist. Es ist geplant, in weiteren Teilen den Gesetzentwurf Stück für Stück zu behandeln und auch einmal in die Tiefe zu gehen.

Alle Stellungnahmen sich nachzulesen unter
https://hessischer-landtag.de/sites/default/files/scald/files/INA-AV-19-64-UDS-AV-19-9-T1.pdf
https://hessischer-landtag.de/sites/default/files/scald/files/INA-AV-19-64-UDS-AV-19-9-T2.pdf
https://hessischer-landtag.de/sites/default/files/scald/files/INA-AV-19-64-UDS-AV-19-9-T3.pdf
https://hessischer-landtag.de/sites/default/files/scald/files/INA-AV-19-64-UDS-AV-19-9-T4.pdf

Über den Autor:
Juergen Erkmann ist Kandidat (Listenplatz 1) der Piratenpartei Hessen zur Landtagswahl 2018 und war Sachverständiger der Bürgerrechtsbewegung dieDatenschützer Rhein Main vor dem Hessischen Innenausschuss zur Anhörung zum HDSIG-E.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert