Vom Freibeuter zum Pirat – Wie ich meinen Weg ohne Navi nach Neuland fand

Mit Politik hatte ich nie viel am Hut, doch nachdem die Sturm und Drang [1] Zeit des Studiums vorbei war und ich mich von den Strapazen erholt hatte, wurde ich durch meinen Taunus-Piraten (damals noch Freibeuter) auf die PIRATEN aufmerksam gemacht. Es war die Zeit von „Save Your Internet“ und Artikel 13. Das Europaparlament mit der damaligen Abgeordneten der Piratenpartei weckte meine Aufmerksamkeit. Es kam die Zeit der Demos und mein Taunus-Pirat traute sich am Wochenende, ohne mich, da ich in heimischen Gewässern im Hunsrück segelte, in die Menschenflut der Artikel-13-Demos und begrub letztendlich buchstäblich das Internet.

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Hierbei knüpfte er erste zarte Bande zu den Frankfurter Piraten, es folgte eine Einladung zu einer Vorstandssitzung. Hierzu ließ ich mich überreden, mehr aus Neugier, als aus der Motivation heraus, mich politisch zu engagieren. Die sichtlich überraschten Vorstandsmitglieder des Kreisverbandes ließen sich an dem Abend von den beiden Interessenten nicht aus der Ruhe bringen, sondern zeigten eher großes Interesse an uns. Danach hätte ich am besten gleich ein Navi zu Rate ziehen sollen, denn ich wusste nach dieser Sitzung erst recht nicht, was ich tun sollte. Freibeuter, Pirat, Freibeuter, Pirat, Freibeuter… Meine bessere Hälfte war an dieser Stelle wesentlich entscheidungsfreudiger, wurde schwups ein Pirat und wedelte vergnügt mit seiner Piratenflagge. Es sollten noch einige Monate vergehen, bis ich all meinen Proviant für meine Reise mit den Piraten zusammen hatte. Im August dieses Jahres war ich dann soweit: Ich kaufte in Form meines unterschriebenen Aufnahmeantrages ein Ticket zu meiner Überfahrt nach Neuland.

Mit einem Mal hagelte es Gruppeneinladungen auf Telegram, damit ich in unruhigen Gewässern ja nicht verloren ginge. Und so wurde ich doch relativ schnell zu ½ Taunus- und zu ½ Frankfurter Pirat. Plötzlich war ich konfrontiert mit \“BuVo\“[2] und \“LaVos\“ [3], dabei kannte ich bisher nur namentlich die \“Sopranos\“[4]. Der Eine sagte mir „Steht im Wiki“, der Nächste rief mir zu „Du hast den Job!“ … Ein Anderer meinte „Gibt’s dafür schon ein Pad?“, und schnell war mir klar, ohne Navi kommste hier nicht weit. Es kam der Tag, da sagte einer „Ist der BEO schon fertig?“, und ich dachte mir: „Was hat denn dieser Vogel[5] nun mit der Partei zu tun?“ Die Wahrheit sieht anders aus: „Der Basisentscheid (BEO) ist das in Paragraph 16 der Bundessatzung aufgenommene Werkzeug, um auch zwischen Parteitagen verbindliche oder empfehlende Parteibeschlüsse herbeizuführen.\“[6] Leider gibt es das noch nicht, obwohl alle PIRATEN sehnsüchtig darauf warten.

Um ein Web-Projekt vorzustellen, wurden der Taunus-Pirat und ich vom Bundesvorstand zur \“Marina Kassel\“ eingeladen. Ich dachte mir nur, wer ist „Marina“ und wieso „Kassel“, wenn die Veranstaltung doch in Frankfurt ist? Fragen über Fragen, zum Glück half mir bei der Navigation meistens das Piratenwiki, aber auch hier war es eine Kunst, sich nicht in dessen Netz zu verheddern. Dann ist da auch noch dieses „Mumble“. Der erste Satz, der mir einfiel, war: „Im Dunkeln lässt es sich gut Mumblen“ (da war mir die englische Aussprache „Mambel“ noch nicht klar). Es stellte sich heraus, dass es das Kommunikationstool der PIRATEN für Sprachkonferenzen ist. Dort eingeloggt erst einmal ein Gespräch mit einem Papagei gehabt, um zu verstehen, dass er mir zu verstehen geben will, dass mich alle anderen gut verstehen. Dann gibt es dort diesen „Dicken Engel“. Welche Bilder sich da in meinem Kopf gebildet haben, nur um am Ende zu erfahren, dass es sich hier um einen Diskussionskanal in diesem Mumble handelt, in dem man sich treffen kann, um ein bestimmtes Thema zu diskutieren. Also, hier ist weder einer dick, noch ein Engel, es ist eine Art piratige Online-Kneipe. Apropos \“piratig\“. Noch so ein Wort, das mir häufiger begegnete, wenn es um bestimmte Themen ging: \“Ist das piratig genug?\“

Alles einfach PIRATEN! Nach gut drei Monaten Reisezeit sehe ich langsam, in weiter Ferne, den Strand von Neuland. Ich bin optimistisch, durch zahlreiche hilfreiche Zwischenstopps bei Piraten-Stammtischen, es sicher zu erreichen, denn die Navigationshilfe von einer Vielzahl sturmfester Piraten ist großartig. Wer weiß, vielleicht finde ich am Strand dann ja die eine oder andere Flaschenpost voller piratiger Ideen. Ahoi, ihr PIRATEN und das Flauschen nicht vergessen!  

P.S. Sollte ich wider Erwarten nicht rechtzeitig in Neuland eintreffen, wird es einen weiteren Reisebericht geben…

[1] Als Sturm und Drang (auch Geniezeit, Genieperiode) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Der Sturm und Drang wurde vornehmlich von jungen Autoren getragen, die das literarische Schaffen gestalteten. Der Begriff geht auf die Kömödie Sturm und Drang von Friedrich Maximilian Klinger zurück. https://wortwuchs.net/literaturepochen/sturm-und-drang/ Zugriff am 23.10.2019

[2] BuVo = Bundesvorstand, https://wiki.piratenpartei.de/Bundesvorstand Zugriff am 24.10.2019

[3] LaVos = Landesvorstände https://wiki.piratenpartei.de/Landesvorstand Zugriff am 24.10.2019

[4] https://www.fernsehserien.de/die-sopranos Zugriff am 23.10.2019

[5] Der Beo ist ein beliebter Stubenvogel, da er sehr gut das Sprechen lernt, obwohl er farblich nicht viel mehr als die heimische Amsel zu bieten hat. Sein schwarzes Fell schillert je nach Lichteinfall grünlich bis bläulich, hinter den Augen haben Beos einen charakteristischen gelben Hautlappen. Äußerlich lassen sich die beiden Geschlechter nicht unterscheiden. http://kinder-haustiere.de/pages/voegel/beos.php Zugriff am 23.10.2019

[6] https://wiki.piratenpartei.de/Beo Zugriff am 23.10.2019

Fotos: Eike Peter Scholz (Autorenbild Lisa), Tanja Förster (Foto der Demo)
Beitragsbild: Sticker von Aljoscha Kreß unter Verwendung von Fotos von Herbert Förster (CC-BY-NC-SA 2.0, \“Make it so\“) und Fluxka (CC BY-SA 4.0, \“Definiere\“), HAL-Sticker von Annette Schaper-Herget
Lizenzen Scholz, Kreß, Tanja Förster und Schaper-Herget: CC BY 4.0

3 Kommentare zu „Vom Freibeuter zum Pirat – Wie ich meinen Weg ohne Navi nach Neuland fand“

  1. Ein schöner Beitrag. Ich denke ich werde Dich begleiten auf der Reise nach Neuland.
    Aber eine Frage, Lisa. Werden wir träumen?

    Gruß
    HAL 9000

    1. „Ihr aber seht und sagt: Warum? Aber ich träume und sage: Warum nicht?“ George Bernard Shaw

      Ich denke wir sollten den Versuch zum Träumen wagen. Neuland ist das, was wir daraus machen.

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