Zuletzt beschrieben wir, wie die schwarz-grüne Landesregierung den Einsatz von des Hessentrojaners beschließt. Entgegen der Reden im Wahlkampf, dem Protest von Organisationen und auf der Straße, und sogar der eigenen grünen Parteibasis. Wer dies gerne noch einmal nachlesen möchte, der klickt bitte hier.
Alle Bemühungen bisher haben nicht geholfen. Weil Piraten nicht so schnell aufgeben, wurde der Wunsch laut, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Helge Herget machte den Staatsrechtler Dr. Peter Spengler aus Darmstadt ausfindig, der das Thema wichtig und interessant fand. Der damalige Landesvorstand (Herbert Förster (Vorsitzender), Dr. Michael Weber (Politischer Geschäftsführer), Nicole Staubus (Schatzmeisterin), Dr. Aljoscha Kreß (Beisitzer) und Maximilian Rath (Beisitzer)) stellte sich geschlossen mit mehreren Beschlüssen zur Beauftragung und zur Finanzierung dahinter, siehe hierzu: Beitrag von Michael Weber (https://www.piratenpartei-hessen.de/blog/2018/10/19/piraten-erheben-verfassungsbeschwerde-gegen-hessentrojaner/). Weitere einzelne Piraten folgten und unterstützten mit großzügigen Spenden.
Viele Leute haben geholfen und sich reingehängt, darunter auch mehrere IT-Experten, die umfangreiche Tipps zu Literatur zum Umgang mit Sicherheitslücken und zu deren „Beschaffung“ durch die (hessischen) Polizeibehörden gegeben haben. Sie wollen gern anonym bleiben, und wir bedanken uns erneut bei ihnen für ihr großes Engagement. Für die Finanzierung durch Spenden hat uns Detlef Netter einen „Spendenbutton“ eingerichtet, mit dem wir auf der Webseite werben konnten – auch dafür lieben Dank.
Wir haben bei mehreren gleichgesinnten Organisationen angefragt, die sich für Bürgerrechte und Freiheitsrechte einsetzen, ob wir gemeinsam Beschwerde einlegen wollen. Zwar hatten sie für uns viel Lob und viele Sympathien übrig, aber leider wollten sie in der Öffentlichkeit nicht mit einer Partei in Verbindung gebracht werden.
Herr Dr. Spengler studierte sowohl die juristischen als auch die technischen Hintergründe und baute unsere Argumentation auf. Für eine Beschwerde wird immer auch eine Person benötigt, die persönlich betroffen ist, eine Organisation wie die Piratenpartei Deutschland Landesverband Hessen reicht nicht aus. Helge Herget ist als typischer hessischer Bürger für diese Rolle gut geeignet, denn wir alle sind gleichermaßen betroffen. So wurde er der „Proxy“, der als persönlich Betroffener auftrat. Wir stellten dann jedoch fest, dass ein weiterer Beschwerdeführer vorteilhaft wäre, der noch stärker betroffen ist. Wir traten an Gregory Engels heran, der im Juni 2020 erfolgreich die russische Regierung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt hatte. Bei ihm ist es besonders wahrscheinlich, dass seine informationstechnischen Systeme durch russische und andere Geheimdienste korrumpiert werden könnten. So waren es also drei Beschwerdeführer.
Die Argumentation der Beschwerdeschrift, die wir beim Bundesverfassungsgericht einreichten, erklären wir in diesem Video:
Sie geht im Prinzip so: Das Gericht hatte in früheren Entscheidungen deutlich gemacht, dass die heimliche Infiltration eines IT-Systems, um dieses zu überwachen und Speichermedien auszulesen, unter bestimmten Voraussetzungen verfassungsrechtlich zulässig ist. Ebenso sieht es das IT-Grundrecht vor. Ein solcher Eingriff muss immer verhältnismäßig sein, d. h., wenn der Staat einerseits ein Gesetz schafft, das Eingriffe in informationstechnische Systeme erlaubt, muss er andererseits auch für IT-Sicherheit sorgen. Von mangelnder IT-Sicherheit sind wir alle betroffen, z. B. durch den Ausfall öffentlicher Systeme, wenn diese von einem Erpressungstrojaner wie „Wannacry“ befallen werden. Dies ist häufig nur möglich, weil gefundene Sicherheitslücken nicht gemeldet und bekannt gemacht und in Folge geschlossen werden. Beispielsweise weil diese für die Infiltration informationstechnischer Systeme durch die Strafverfolgung zurückgehalten werden.
In einer Pressekonferenz im Juni 2019 erläuterten zwei der drei Beschwerdeführer, Helge Herget und Gregory Engels, die Beschwerde und ihre Motivation. Diese Pressekonferenz hatte eines der größten Medienechos in der Geschichte des Landesverbandes zur Folge.
Wichtig war auch ein Fachgutachten der Piratenpartei. Dieses wurde in einem iterativen Prozess in Zusammenarbeit mit unserem Anwalt von den vier Piraten und IT-Experten Sebastian Alscher, Borys Sobieski, Marco Holz und Hanno Wagner erarbeitet. Stellungnahmen wurden auch vom Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz, vom Bundesinnenministerium, vom Bundesdatenschutzbeauftragten, dem Datenschutzbeauftragten Rheinland-Pfalz und von der Hessischen Staatskanzlei eingereicht. Diese könnt ihr hier finden: https://wiki.piratenpartei.de/Stellungnahmen-Hessentrojaner
Die Beschwerde war eingereicht, nach und nach kamen die Informationen über die Einreichungen der angehörten Expertinnen und Experten, und wir saßen auf der Stuhlkante und warteten auf Nachricht.
Wie geht es weiter? Das wirst du in Teil 3 erfahren!