Frank ist Kreistagsabgeordneter im Landkreis Marburg- Biedenkopf.
Im zweiten Teil unserer Reihe zu Mandatsträgern in Hessen hat unser politischer Geschäftsführer Carsten Baums mit Frank Lerche gesprochen.
Carsten: Frank, seit wann genau bist Du für uns im Kreistag und was sind die Schwerpunkte deiner politischen Arbeit?
Frank: Ich bin seit 01.04.2016 Kreistagsabgeordneter zunächst bis 31.03.2021 gewesen. Nach der letzten Kommunalwahl hatte unsere offene Wählergruppe \“Liberale & Piraten\“ nur ein Mandat errungen, auf das mein erstplatzierter Listenkollege Prof. Mueller im April 2021 verzichtet hatte. Damit bin ich seit 27.04.2021 als Nachrücker wieder im Kreistag.
Ich hatte seit 24.05.2019 mit Prof. Mueller, der aus der FDP-Fraktion ausgetreten war, eine Fraktion gegründet. Und um zur Kommunalwahl mit einer vollen Liste antreten zu können, haben wir aus der Fraktion heraus zusammen mit unserem Kreisverband die Wählergruppe gegründet.
Meine Schwerpunkte liegen in Digitalisierung insbesondere der Kreisverwaltung, wir konnten aber auch Impulse in anderen Bereichen setzen.
Carsten: Und was sind die größten Erfolge, die die Piratenpartei im Kreistag erreichen konnte?
Frank: Noch vor der Fraktionsgründung habe ich eine Initiative für Open Source Software in der Verwaltung gemeinsam mit der regierenden Koalition aus SPD und CDU einbringen können, die dann mehrheitlich angenommen wurde. Auch Folgeanträge zu diesem Thema wurden angenommen.
Carsten: Wie ist das Verhältnis zu den anderen Parteien? Gibt es eine parteiübergreifende Zusammenarbeit?
Frank: Ich konnte mir bereits in der Zeit als Einzelabgeordneter eine gewisse Reputation als kompetenter Politiker aufbauen, so dass Initiativen von mir – sofern keine ideologischen Schranken dazwischen lagen – nicht von vornherein als Unsinn abgetan wurden, sondern eher Gesprächsangebote auslösten. Wir haben dann verstärkt versucht, bereits vor dem Antragsverfahren Fraktionen, bei denen wir uns eine Unterstützung vorstellen konnten, in die Diskussion einzubinden.
Seit der Kommunalwahl gibt es eine informelle Gruppe \“Linke Opposition\“ bestehend aus Grünen, Linken, Klimaliste und mir, welche Anträge gemeinsam erarbeitet und – wo es passt – gemeinsam auftritt.
Insgesamt hat sich das Verhältnis untereinander im Kreistag seit der Wahl eher verschlechtert, die Blockbildung nimmt zu und es wird schwieriger, interfraktionell zu arbeiten. \“Schuld\“ daran ist hauptsächlich der Einzelabgeordnete von \“Weiterdenken Marburg\“, im Prinzip die lokale Ausprägung der Querdenker, der durch seine manipulative und destruktive Arbeitsweise unglaubliche Zeit und Energieressourcen bindet.
Carsten: Die PIRATEN sind in der Opposition. Was wäre im Landkreis anders, wenn die PIRATEN die Mehrheit hätten?
Frank: Wären wir in der Regierung, gäbe es eine Initiative für umlagefinanzierten ÖPNV, notfalls im Konflikt zum RMV. An den Schulen würden RasPi-Notebooks von den Schüler:innen selbst zusammengebaut und begriffen, statt auf iPads vorgegebene Anwendungen abzurufen. Es gäbe Freifunk an jedem öffentlichen Gebäude und kreisweite Förderung für die Gastronomie, wenn sie Freifunk einrichten würde. Alternative Lebensentwürfe und Lebensformen würden gefördert, Tiny Houses und Wagenplätze eingerichtet und statt Sanktionen gäbe es Projekte und Angebote auf freiwilliger Basis.
Carsten: Was sind für Dich die wichtigsten Aufgaben für den Rest der Wahlperiode und darüber hinaus?
Frank: Überleben. Irgendwie hat die Wahlperiode, auch wenn schon mehr als ein Jahr vergangen ist, für uns noch gar nicht richtig angefangen. Durch den Tod unserer Landrätin Kirsten Fründt (SPD) am 19. Januar dieses Jahres musste zunächst eine Neuwahl angesetzt werden. Auch haben sich Gremienbesetzungen und andere formale Angelegenheiten sehr gezogen, so dass immer noch nicht alle Gremien und Arbeitsgruppen besetzt sind.
Ich hoffe natürlich immer auf Gelegenheiten, unsere Anliegen voran zu bringen. Die Hürde zur Gründung einer Fraktion ist seit dieser Wahlperiode auf drei Personen erhöht. Bis jetzt gab es nur eine Abgeordnete der Grünen, die die Fraktion verlassen hatte, weil sie deren Pro-Impfen-Position nicht mittragen mochte. Damit wäre das keine geeignete Kandidatin für eine Zusammenarbeit. Mit dem Weiterdenken-Abgeordneten verbietet sich eine Zusammenarbeit schon grundsätzlich. Das ist praktisch die lokale Version der \“Basis\“, Wissenschaftsleugnung, Verschwörungsmythen, Putinversteher. Ich muss also für eine über die \“linke Opposition\“ hinausgehende Zusammenarbeit schauen, ob und wann sich Gelegenheiten ergeben.
Inhaltlich muss beim ÖPNV etwas passieren, da ist vom Angebot her schon Druck, aber die Tarife sind natürlich extrem unattraktiv. Außerdem muss die Open-Source-Initiative für die Verwaltung kritisch begleitet werden und eventuell etwas Ähnliches für die Schulen auf den Weg gebracht werden. Weitere wichtige Punkte sind Digitalisierung und Schließen der weißen Flecken bei der Internetversorgung.
Carsten: Wenn du die anderen Parteien im Kreistag siehst, die uns vermeintlich nahestehen, wie die Grünen, die Linke oder auch die Klimaliste: Wie unterscheidet sich hier piratige Politik von der Politik der anderen Parteien?
Frank: Nun, gerade die Grünen kommen aus Rücksicht auf die Landespolitik nicht so richtig auf den Punkt, machen lieber weniger und agieren vorsichtig. Die Linke ist mit sich selbst beschäftigt und Klima ist neu, aber da fehlt der gesamtgesellschaftliche Überblick. Welche sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen haben bestimmte Maßnahmen? Wie können wir notwendige Veränderungen so gestalten, dass wir die Menschen mitnehmen und dies ein besseres Leben statt zusätzlicher Härten bedeutet? Hier haben PIRATEN doch die umfassenderen Antworten oder stellen zumindest die notwendigen Fragen.
Carsten: Was macht Dir an Deiner Arbeit als Kreistagsabgeordneter besonders viel Spaß? Und gibt es auch etwas, das nervt?
Frank: Spaß machen die vielen interessanten Menschen, die ich durch diese Arbeit kennenlerne. Ich habe gute Gesprache mit Menschen, die fundamental andere Ansichten vertreten, aber auch mit Menschen, die mit anderen Strategien ähnliche Ziele verfolgen. Nervig sind häufig Restriktionen, die man als Einzelabgeordneter hat: Wenig Redezeit, keine großen Anfragen, wenig Möglichkeiten der Gestaltung. Manchmal hilft dann nur eine GO-Schlacht, und das ist für alle Beteiligten nervig.
Carsten: Was wünscht Du Dir, von wem auch immer für Deine künftige Arbeit?
Frank: Ich wünsche mir ein demokratisches Miteinander, in dem fair – ohne Fraktionszwang und Machtspielchen – nach der besten Lösung gesucht wird, anstatt dass per Fraktions- und Koalitionsdisziplin \“durchregiert\“ wird.
Hier könnt Ihr Euch weiter über die Arbeit der Wählergruppe \“Liberale & Piraten\“ informieren und auch anschreiben.